“Alles, was auf der Erde geschieht,
hat seine von Gott bestimmte Zeit.”
Prediger 3,1 (GN).
Manche meinen, Erholung und Vergnügen seien dasselbe, aber das stimmt nicht. Erholung hat etwas mit Erneuerung und Kraftschöpfen zu tun. ERZ 213.1
Indem wir Abstand vom Alltagsleben und vom Beruf gewinnen, werden Geist, Seele und Leib erfrischt und neu aufgebaut, um den kommenden Anforderungen gewachsen zu sein. Vergnügen dagegen ist vorwiegend auf “Spaß haben” ausgerichtet. Wenn es ums Vergnügen geht, scheuen viele weder Zeit, Geld noch Mühe. Sie wollen halt etwas “vom Leben haben”. Meist geht dabei eine Menge Kraft verloren, die eigentlich an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnte. Gerade bei jungen Menschen blockiert die Jagd nach Vergnügung oft den wirklichen Erfolg im Leben. ERZ 213.2
Der Mensch ist zum Tätigsein geboren. Der Körper braucht Bewegung, wenn er sich gesund entwickeln und leistungsfähig bleiben soll. Mangel an Bewegung macht körperlich krank und hindert den Menschen auch daran, seine geistigen Kräfte voll auszuschöpfen. Der Schulbetrieb bringt es mit sich, daß vor allem Kinder unter permanentem Bewegungsmangel leiden. Zusammen mit anderen ungesunden Bedingungen — schlechte Belüftung und nicht körpergerechte Schulbänke — kann das zu einer starken Belastung werden, vor allem für Kinder, die von Natur aus nicht besonders kräftig sind. Ausgerechnet das empfindlichste Organ des Menschen, das Gehirn, wird durch Bewegungsmangel am stärksten geschädigt, weil es über weite Strecken nicht genügend mit Sauerstoff versorgt wird. Dennoch werden dem Kind gerade in der Schule schon früh hohe geistige Leistungen abverlangt — und das oft unter höchst ungesunden Bedingungen. Kein Wunder, daß sich manche Kinder lebenslang mit Beschwerden herumschlagen müssen, für die bereits im Klassenzimmer der Grundstein gelegt wurde. ERZ 213.3
Kinder sollten einfach nicht stundenlang in ein Klassenzimmer “eingesperrt” sein, ohne sich zwischendurch genügend bewegen zu können. Sie sollten auch nicht zu früh eingeschult werden, denn intensives Lernen erfordert nicht nur eine gewisse geistige Reife, sondern setzt auch einen bestimmten körperlichen Entwicklungsstand voraus. ERZ 214.1
Während der ersten acht bis zehn Lebensjahre eines Kindes ist das freie Feld oder der Garten das beste Klassenzimmer, die Mutter ist die beste Lehrerin und die Natur das beste Lehrbuch. Auch wenn Kinder für die Schule alt genug sind, sollte ihre Gesundheit immer Vorrang gegenüber der Wissensvermittlung haben. Das schulische Umfeld sollte so beschaffen sein, daß es dem körperlichen und geistigen Wachstum förderlich ist. Leider wird dem zur Stunde weder in den Grundschulen noch in den höheren Bildungseinrichtungen genügend Beachtung geschenkt. Etwas mehr Bewegung und frische Luft könnten manchmal Wunder wirken. ERZ 214.2
Manchen Schülern und Studenten steht aus finanziellen Gründen nur ein begrenzter Zeitrahmen für ihre Ausbildung zur Verfügung. Deshalb “büffeln” sie Tag und Nacht, ohne sich die dringend nötige Bewegung und Erholung zu gönnen. Das ist zwar verständlich, aber höchst töricht. Bei jedem Menschen läßt nach einer gewissen Zeit die Konzentrationsfähigkeit nach. Wer trotzdem weiter macht, arbeitet zwar, aber er lernt nichts. Hier wäre Bewegung, Entspannung und Abschalten angesagt, denn dadurch würde die geistige Aufnahmefähigkeit wiederhergestellt. Auch für Schüler heißt das Geheimnis des Erfolgs: Aktiv sein und entspannen! ERZ 214.3
Wer nur geistig aktiv ist, gerät leicht in die Gefahr, sich in bestimmte Ideen und Gedankengänge zu verrennen und das seelische Gleichgewicht zu verlieren. Wer sich abwechselnd geistig und körperlich betätigt, ist erheblich besser dran. Die wechselnde Belastung und die unterschiedlichen Themenbereiche sorgen für einen natürlichen Ausgleich, und das tut Leib, Seele und Geist gut. ERZ 214.4
Körperliche Untätigkeit vermindert nicht nur die geistige, sondern auch die sittliche Kraft. Wie ist das zu verstehen? Unser Gehirn steuert über die Nervenbahnen alle körperlichen, seelischen und geistigen Prozesse. Über genau diesen Weg nimmt auch Gott Einfluß auf unser Denken, Fühlen und Wollen. Alles, was die elektrochemischen Vorgänge im Nervensystem stört oder blockiert, verringert die geistige Aufnahmefähigkeit und schwächt zugleich das moralische Empfinden. ERZ 215.1
Überzogene geistige Aktivität, wie sie oft bei Schülern und Studenten vorkommt, kann zu Übererregbarkeit führen, die die Kraft zur Selbstbeherrschung schwächt, plötzlichen Launen die Zügel schießen läßt und nicht selten der Unmoral Tor und Tür öffnet. Daß heutzutage die schmutzigen Fluten der Unmoral immer mehr ansteigen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß viele Menschen ihre körperlichen Fähigkeiten entweder vernachlässigen oder mißbrauchen. Im Blick auf die entartete Stadt Sodom heißt es bei Hesekiel: “Sie war überheblich und lebte ... sorglos und im Überfluß.”1Hesekiel 16,49 (GN). Stolz, Überfluß und Untätigkeit sind heute noch ebenso tödlich für uns Menschen, wie das vor Tausenden von Jahren der Fall war. ERZ 215.2
Erzieher müssen sich diese Zusammenhänge bewußt machen und sie auch ihren Schülern erklären. Junge Leute müssen begreifen lernen, daß richtiger Lebensstil vom richtigen Denken abhängt, und daß sittlich reines Denken auch davon beeinflußt wird, ob sich jemand körperlich betätigt oder nicht. ERZ 215.3
Die Frage, welche körperlichen Aktivitäten für Studierende sinnvoll sind, wird unterschiedlich beantwortet. Der Schulsport ist sicher eine gute Möglichkeit, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Allerdings sollte darauf geachtet werden, daß Sport nicht übertrieben wird, weil er dann unkalkulierbare Risiken in sich birgt. ERZ 215.4
Schulsport in der Turnhalle kann natürlich die Bewegung an der frischen Luft nicht ersetzen, wie gut er auch organisiert sein mag. Deshalb sollten Schüler mehr Möglichkeiten haben, sich im Freien zu bewegen. Nichts ist schlimmer, als wenn junge Leute träge und ziellos in den Tag hineinleben. Dagegen kann Sport ein probates Mittel sein. Allerdings entwickelt sich der Sport mehr und mehr in eine Richtung, die bei Lehrern und Erziehern starke Bedenken aufkommen läßt. Training und Wettkämpfe nehmen häufig so viel Zeit in Anspruch, daß das Lernen zu kurz kommt und die schulischen Leistungen sinken. Außerdem sorgt Wettkampfsport nicht automatisch dafür, daß junge Leute angemessen auf eine sinnvolle Tätigkeit vorbereitet werden oder sich zu charakterlich gefestigten Persönlichkeiten entwickeln. ERZ 215.5
Gerade so populäre Sportarten wie Boxen und American Football sind zu Brutstätten von Rücksichtslosigkeit und Härte geworden. Sie erinnern einen unwillkürlich an die Gladiatorenkämpfe und brutalen Schauspiele im antiken Rom. Der Machtrausch, das Zurschaustellen roher Gewalt und die fehlende Achtung vor der Gesundheit und dem Leben des Gegners wirken in erschreckendem Maße enthemmend und entsittlichend. ERZ 216.1
Andere Arten von Sport und Spiel mögen zwar nicht so brutal sein, bergen aber auch Gefahren in sich — vor allem wenn sie extrem betrieben werden und junge Menschen völlig in ihren Bann ziehen. Sie fördern das Bedürfnis nach Zeitvertreib und Spannung und sorgen zugleich dafür, daß die Freude an sinnvoller Arbeit und am Übernehmen von Verantwortung abnimmt. Das normale Leben erscheint langweilig, und die kleinen Freuden und Erfahrungen im Alltag üben nicht den gewünschten Reiz aus. Oft wird auf diese Weise einem zügellosen und unordentlichen Leben Vorschub geleistet — mit üblen Folgen, wie sich leicht feststellen läßt. ERZ 216.2
Viele gesellschaftliche Veranstaltungen, Partys und andere Zusammenkünfte, auf denen sich junge Leute heutzutage treffen, sind der geistigen und charakterlichen Entwicklung eher abträglich als förderlich. Man schließt leichtfertig fragwürdige Bekanntschaften und gewöhnt sich an eine lockere, vergnügungssüchtige, zügellose Lebensweise. Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Hier sind Eltern und Lehrer gefordert, sinnvolle Freizeitbeschäftigungen anzubieten, die Freude und Erholung ohne negative Begleiterscheinungen schaffen. ERZ 216.3
Wie in vielen anderen Lebensbereichen, so hilft uns auch hier Gottes Wort weiter. In biblischer Zeit lebten die Menschen in der Regel einfach und naturverbunden. Eltern und Kinder arbeiteten schon sehr früh zusammen und hatten dadurch viele gemeinsame Erlebnisse in Natur und Arbeitswelt. Das schuf Raum für die Weitergabe der heiligen Wahrheiten, die Gott den Vorfahren anvertraut hatte. Diese Form der Erziehung prägte die Heranwachsenden nachhaltig und ließ sie zu starken Persönlichkeiten werden. ERZ 216.4
Heute ist das alles anders. Der Mensch hat kaum noch Kontakt zur freien Natur, sondern lebt oft unter Bedingungen, die man als “entartet” bezeichnen müßte. Selbstverständlich können wir das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, auch wenn wir uns vielleicht nach dem einfachen und überschaubaren Leben früherer Generationen sehnen mögen. Dennoch können wir der Bibel auch in Sachen Freizeitgestaltung manchen Hinweis entnehmen, der uns hilft, Erholung wieder zu dem zu machen, was sie sein soll: Ein Auffrischen der geistigen, seelischen und körperlichen Kräfte. ERZ 217.1
Die Erholungsmöglichkeiten für unsere Kinder hängen natürlich auch davon ab, wo sie zu Hause sind und zur Schule gehen. Daran sollte bei der Wohnungswahl und dem Bau von Schulen gedacht werden. Wer dem geistigen und körperlichen Wohl seiner Kinder mehr Gewicht beimißt als guten Verdienstmöglichkeiten oder gesellschaftlichem Eingebundensein, sollte ihnen soviel Natur bieten wie irgend möglich. Wenn auch noch die Schulen so angelegt wären, daß sie den Kindern einen natürlichen Kontakt zur Natur ermöglichen, hätte das einen unbezahlbaren erzieherischen Wert. ERZ 217.2
Die Erfahrung zeigt, daß die besten Erfolge erzielt werden, wenn Schüler und Lehrer einen Teil ihrer Freizeit gemeinsam gestalten. Das Beste, was ein Lehrer seinen Schülern außer Wissensvermittlung noch geben kann, ist Kameradschaft und Freundschaft. Freundschaftlicher Kontakt schafft Nähe, läßt aufeinander hören und einander verstehen. Das ist nicht nur bei Erwachsenen so, sondern auch bei Kindern. Solche Beziehungen lassen sich am leichtesten aufbauen, wenn Lehrer und Schüler auch außerhalb des Unterrichts Berührungspunkte haben. Manche Lehrer verbringen einen erheblichen Teil ihrer Freizeit mit ihren Schülern. Sie planen Unternehmungen gemeinsam und nehmen selbst an ihnen teil. Auf diese Weise haben die Kinder das Gefühl: Unser Lehrer gehört zu uns! Schön, wenn das auf unseren Schulen öfter so gehandhabt würde. Natürlich bringt ein Lehrer, der sich auch noch in der Freizeit mit seinen Schülern abgibt, ein großes Opfer. Aber das wird bei weitem aufgewogen durch die erzieherische Frucht, die daraus erwächst, und durch die Freude, die ins eigene Herz zurückkehrt. Junge Menschen sind von Natur aus begeisterungsfähig und meist schnell zu gemeinsamen Unternehmungen bereit. Wer diese Chance nutzt, gibt seinen Schülern Lebenshilfen mit, die weit über das Klassenzimmer und die Schulzeit hinaus wirksam sind. ERZ 217.3
Jeder Lehrer ist gut beraten, wenn er seine Schüler zur Hilfsbereitschaft erzieht. Je jünger die Kinder sind, desto größer ist ihr Vertrauen zum Lehrer. Wenn er sie dazu ermutigt, der Mutter oder dem Vater zu helfen, kleine Pflichten zu übernehmen oder sich um Kranke und Hilfsbedürftige zu kümmern, verfehlt das nicht seine Wirkung. Irgendwie wirkt das dann auch auf ihn selbst zurück, denn die Eltern werden sich darüber freuen und ihn dafür in seiner Erziehungsarbeit unterstützen. ERZ 218.1
Manchmal kann es notwendig sein, den gewohnten Unterrichtsablauf zu unterbrechen, um den Schülern die Möglichkeit zum Bewegen und Entspannen zu geben. Solche Erholungsphasen sollte man nicht als Störung empfinden, denn sie zahlen sich hundertfach aus, weil die Schüler danach wieder aufnahmefähiger sind. Wenn es dem Lehrer gelingt, die überschäumende Energie seiner Schüler in sinnvolle Bahnen zu lenken, ist das wirksamer als alle Verbote und Strafen. ERZ 218.2