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    Kapitel 23: Erholung

    “Alles hat seine Zeit.”

    Es besteht ein Unterschied zwischen Erholung und Vergnügen. Erholung im wahren Sinne des Wortes bewirkt Stärkung und Kräfteaufbau. Indem sie uns aus unserer Alltagssorge und -beschäftigung herausreißt, erfrischt sie gleicherweise Körper und Geist. Dadurch befähigt sie uns, mit neuer Kraft zu den ernsten Lebensaufgaben zurückzukehren. Das Vergnügen dagegen sucht man um des Genusses willen und gibt sich ihm oft bis zum Übermaß hin. Es zehrt die Kräfte auf, die zu nützlicher Arbeit erforderlich sind, und erweist sich als Hindernis für den wahren Lebenserfolg.Ez54 191.4

    Der ganze Körper ist zur Tätigkeit bestimmt. Wenn die physischen Kräfte nicht durch rege Übung gesund erhalten werden, kann man die geistigen Fähigkeiten nicht lange zu Höchstleistungen anspannen. Die körperliche Untätigkeit, die im Verein mit anderen ungesunden Voraussetzungen im Schulzimmer fast unvermeidlich erscheint, macht dieses zu einem Ort der Qual für Kinder, besonders für schwächlich veranlagte. Oft ist die Lüftung unzureichend. Schlechtgebaute Sitze leisten unnatürlicher Körperhaltung Vorschub und hemmen dadurch die Tätigkeit von Lunge und Herz. Hier müssen kleine Kinder drei bis fünf Stunden am Tage zubringen und eine durch und durch verunreinigte, vielleicht durch Krankheitskeime vergiftete Luft einatmen. Kein Wunder, daß im Schulzimmer so oft der Grund zu lebenslanger Krankheit gelegt wird. Das Gehirn, das empfindlichste aller Leibesorgane, von dem die Nervenkraft des ganzen Organismus abhängt, erleidet den größten Schaden. Wenn es zu verfrühter oder übermäßiger Tätigkeit gezwungen wird dazu unter gesundheitswidrigen Bedingungen, erfährt es eine Schwächung, und oft sind die üblen Folgen von Dauer.Ez54 192.1

    Kinder sollten nicht lange innerhalb der vier Wände eingesperrt werden, noch sollte man von ihnen eine völlige Hingabe an das Lernen verlangen, bis eine gute Grundlage für ihre körperliche Entwicklung geschaffen ist. Für die ersten acht oder zehn Jahre eines jungen Lebens ist das Feld oder der Garten der beste Schulraum, die Mutter die beste Lehrerin, die Natur das beste Lehrbuch. Selbst wenn das Kind alt genug ist, um die Schule zu besuchen, sollte seine Gesundheit schwerer wiegen als alle Bücherweisheit. Man biete ihm die Lebensbedingungen, die für sein körperliches und geistiges Wachstum am günstigsten sind.Ez54 192.2

    Nicht allein das Kind ist durch Mangel an Luft und Bewegung gefährdet. Ebenso wie in den Volksschulen werden auch in den höheren Lehranstalten diese Haupterfordernisse der Gesundheit noch allzuoft vernachlässigt. So mancher Schüler sitzt Tag für Tag in einem geschlossenen Raum über seine Bücher gebeugt. Sein Brustkasten ist so zusammengedrückt, daß er keinen vollen, tiefen Atemzug tun kann; sein Blut fließt träge, die Füße sind kalt, der Kopf heiß. Da der Körper nicht genügend Aufbaustoffe erhält, werden die Muskeln geschwächt. Der ganze Organismus erkrankt und verliert seine Spannkraft. Oft werden solche Schüler zu lebenslangen Invaliden. Sie hätten die Schule mit vermehrten Körper- und Verstandeskräften verlassen können, wenn sie ihre Studien unter geeigneten Bedingungen, bei regelmäßiger Bewegung in frischer Luft und Sonnenschein, betrieben hätten.Ez54 192.3

    Der Schüler, der mit bemessener Zeit und beschränkten Mitteln darum ringt, sich eine Bildung anzueignen, sollte sich bewußt sein, daß die auf körperliche Übung verwandten Stunden nicht verloren sind. Wer beständig über seinen Büchern brütet, wird sehr bald spüren, daß der Geist seine Frische verloren hat. Die Schüler, die der körperlichen Entwicklung rechte Beachtung schenken, werden auch auf geistigem Gebiet größere Fortschritte erzielen, als wenn sie ihre ganze Zeit dem Studium widmeten.Ez54 193.1

    Wenn man einseitig eine Gedankenrichtung verfolgt, tritt oft eine geistige Unausgeglichenheit ein. Dagegen kommt es zu einem gleichmäßigen Gebrauch jeder Fähigkeit, wenn die geistigen und körperlichen Kräfte gleich stark beansprucht werden und die Gegenstände des Denkens wechseln.Ez54 193.2

    Körperliche Untätigkeit verringert nicht nur die geistige, sondern auch die sittliche Kraft. Die Gehirnnerven, die in den ganzen Organismus ausstrahlen, bilden das Durchgangsfeld, über das der Himmel mit dem Menschen Umgang pflegt und sein innerstes Leben beeinflußt. Was immer den Fluß des Spannungsstroms im Nervensystem hemmt und damit die Lebenskräfte des Menschen schwächt und seine geistige Aufnahmebereitschaft verringert, stumpft zugleich auch sein sittliches Empfinden ab.Ez54 193.3

    Übermäßiges Studium steigert überdies den Blutzufluß zum Gehirn und verursacht eine krankhafte Reizbarkeit, die die Kraft der Selbstbeherrschung verringert und nur zu oft plötzlichen Einfällen und Launen die Zügel schießen läßt. Damit wird sittlicher Unreinheit Tür und Tor geöffnet. Der Mißbrauch oder die Nichtanwendung der körperlichen Kräfte ist weitgehend verantwortlich zu machen für die Flut der Entsittlichung, die sich über die Welt ergießt. “Hoffart, Brot in Fülle und sorglose Ruhe” (Hesekiel 16,49, Menge) sind in diesem Geschlecht ebenso tödliche Feinde menschlichen Fortschritts wie einst, da sie zur Zerstörung Sodoms führten.Ez54 194.1

    Lehrer sollten diese Zusammenhänge verstehen und ihre Zöglinge in die rechten Bahnen lenken. Man zeige den Schülern, daß richtige Lebensweise auf richtigem Denken beruht und daß körperliche Tätigkeit für Reinheit der Gedanken wesentlich ist.Ez54 194.2

    Oft stehen Lehrer der Frage nach passender Erholung für ihre Schützlinge ratlos gegenüber. In vielen Schulen erfüllen Turnübungen einen nützlichen Zweck, doch werden sie ohne sorgfältige Überwachung vielfach übertrieben. In der Turnhalle haben sich manche junge Leute durch ihre gewagten Kraftproben einen lebenslangen Schaden zugezogen.Ez54 194.3

    Die Übungen in der Turnhalle können, so gut sie auch durchgeführt sein mögen, die Erholung im Freien nicht ersetzen. Für diese sollten unsere Schulen bessere Möglichkeiten schaffen. Kräftige körperliche Bewegung müssen die Schüler zweifellos haben. Kaum ein Übel ist mehr zu fürchten als Trägheit und Ziellosigkeit. Doch gibt die Entwicklungsrichtung aller Sportarten jenen ernsthaft zu denken, denen das Wohl der Jugend am Herzen liegt. Es beunruhigt die Lehrer, wenn sie die Auswirkung dieses Sportbetriebs auf den schulischen Fortschritt des Schülers und auf seinen späteren Lebenserfolg beobachten. Die Spiele, die ihm so viel Zeit rauben, lenken den Geist vom Studium ab. Sie tragen nicht dazu bei, die Jugend für praktische, ernsthafte Arbeit im Leben vorzubereiten. Ihr Einfluß bestärkt nicht gutes Benehmen, Großmut oder echte Männlichkeit.Ez54 194.4

    Einige der volkstümlichsten Vergnügungssportarten, wie american football und Boxen, sind zu Schulen der Roheit ausgeartet. Sie entwickeln die gleichen Merkmale wie die Spiele des alten Rom. Der Machtrausch, der Stolz auf die bloße ungehobelte Kraft, die unbekümmerte Mißachtung des Lebens üben auf die Jugend einen entsittlichenden Einfluß aus, der erschreckend ist.Ez54 195.1

    Andere athletische Spiele sind, obwohl sie nicht so sehr verrohen, kaum weniger anfechtbar, da sie bis zum Übermaß betrieben werden. Sie fördern die Sucht zum Vergnügen und zum Sinnenkitzel und nähren so den Widerwillen gegen nützliche Arbeit, den Hang, praktischen Pflichten und Verantwortlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Sie zerstören leicht den Sinn für die nüchterne Wirklichkeit des Lebens und für seine stilleren Freuden. So öffnet sich die Pforte zu Ausschweifung und Ungesetzlichkeit mit ihren schrecklichen Folgen.Ez54 195.2

    Gesellschaftliche Veranstaltungen stellen so, wie sie gewöhnlich durchgeführt werden, ein Hindernis für echte geistige und charakterliche Entwicklung dar. Leichtsinnige Bekanntschaften, verschwenderische, genießerische und nicht selten ausschweifende Gewohnheiten bilden sich heraus, die das ganze Leben auf das Böse ausrichten. Eltern und Lehrer können viel tun, um für gesunde und lebenspendende Ausspannung zu sorgen, die an die Stelle solcher Belustigungen tritt.Ez54 195.3

    Hier wie in allen sonstigen Angelegenheiten, die unser Wohl betreffen, hat göttliche Inspiration den Weg gewiesen. In früheren Zeiten gestaltete sich bei den Menschen, die unter Gottes Führung standen, das Dasein einfach. Sie lebten nahe dem Herzen der Natur. Die Kinder beteiligten sich an der Arbeit der Eltern und studierten die Schönheiten und Geheimnisse im Schatzhaus der Schöpfung. In Feld- und Waldesstille dachten sie über jene tiefen Wahrheiten nach, die als heiliges Vermächtnis von Geschlecht zu Geschlecht überliefert wurden. Solche Erziehung formte starke Männer.Ez54 195.4

    In unserer Zeit ist das Leben naturfremd geworden, und die Menschen sind entartet. Zwar können wir nicht ganz zu den einfachen Sitten der Frühzeit zurüchkehren, doch mögen wir daran lernen, unsere Erholung zu dem zu machen, was in dem Begriff liegt zu Zeiten echter Erquickung für Körper, Geist und Seele.Ez54 195.5

    Mit dem Erholungsproblem ist die Umgebung des Heimes und der Schule aufs engste verknüpft. Bei der Wahl einer Wohnstätte oder des Baugrundes für eine Schule sollte dies berücksichtigt werden Wer dem geistigen und körperlichen Wohl größere Bedeutung beimißt als dem Gelde oder den Ansprüchen und Gewohnheiten der Gesellschaft, müßte für seine Kinder die Vorteile des Anschauungsunterrichts inmitten der Natur erstreben und auch die Erholung, die sie bietet. Es würde der erzieherischen Arbeit sehr viel nützen, wenn jede Schule so angelegt werden könnte, daß sie den Schülern Land zur Bebauung böte und Zutritt zu Feld und Wald ermöglichte.Ez54 196.1

    Bei der Erholung für den Schüler wird man die besten Ergebnisse durch die persönliche Einwirkung des Lehrers erzielen. Wenige Gaben kann der echte Erzieher seinen Schutzbefohlenen vermitteln, die so wertvoll sind wie seine Kameradschaft. Es gilt schon für Männer und Frauen und wieviel mehr für Jugendliche und Kinder: daß wir sie nur dann verstehen, wenn wir ihnen durch freundliche Teilnahme nahekommen. Und verstehen müssen wir sie, um ihnen am besten nützen zu können. Kaum etwas festigt das freundschaftliche Band zwischen Lehrer und Schüler mehr als der gesellige Umgang miteinander außerhalb des Schulzimmers. In manchen Schulen weilt der Lehrer in den Stunden der Erholung stets bei seinen Schützlingen. Er nimmt an ihren Beschäftigungen teil, begleitet sie auf ihren Ausflügen und macht sich scheinbar zu einem der ihren. Es wäre gut für unsere Anstalten, wenn dies noch weit mehr eine allgemeine Regel wäre. Das vom Lehrer geforderte Opfer wäre groß, aber der Lohn seiner Mühen entsprechend reich.Ez54 196.2

    Eine Erholung, die nur den Kindern und Jugendlichen selbst zugute kommt, wird nie so segensreich sein wie eine solche, die sie zum Dienst für andere ertüchtigt. Von Natur begeisterungsfähig und beeinflußbar, geht die Jugend bereitwillig auf Anregungen ein. Wenn über den Anbau von Pflanzen beraten wird, suche der Lehrer ein Interesse an der Verschönerung des Schulgrundstückes und des Klassenzimmers zu wecken. Ein doppelter Nutzen wird daraus erwachsen. Die Schüler werden es nicht dulden, daß man verdirbt oder entstellt, was sie zu verschönern suchen. Ein verfeinerter Geschmack, Ordnungsliebe und Achtsamkeit werden dadurch gefördert. Der kameradschaftliche Geist der Zusammenarbeit wird sich für die Schüler lebenslang als Segen erweisen.Ez54 196.3

    So kann man auch der Gartenarbeit oder dem Ausflug in Wald und Feld neue Anziehungskraft verleihen, wenn man die Kinder veranlaßt, an jene Mitmenschen zu denken und die Herrlichkeiten der Natur an sie heranzutragen, die selbst keine Möglichkeit haben, solch schöne Orte aufzusuchen.Ez54 197.1

    Der aufmerksame Lehrer wird viele Gelegenheiten finden, seine Schüler zu tatkräftiger Hilfe anzuleiten. Besonders kleine Kinder blicken mit fast unbegrenztem Vertrauen und voller Achtung zum Lehrer auf. Was er auch vorschlagen mag sei es die kleine Handreichung daheim, die treue Erfüllung täglicher Pflichten, der Dienst an Kranken und Armen, es wird fast immer etwas fruchten. Und dadurch ist wiederum ein doppelter Gewinn gesichert. Die freundliche Anregung wird auf ihren Urheber zurückwirken. Dankbarkeit und Verständnis seitens der Eltern wird die Bürde des Lehrers erleichtern und seinen Weg erhellen.Ez54 197.2

    Wenn man der Erholung und der körperlichen Ertüchtigung Beachtung schenkt, wird zweifellos der regelmäßige Gang der Schule bisweilen unterbrochen; doch diese Unterbrechung wird sich nicht als wirkliches Hindernis erweisen. Hundertfach wird sich der Aufwand an Zeit und Mühe bezahlt machen: durch die Kräftigung von Seele und Leib, durch die Pflege einer selbstlosen Gesinnung, im Zusammenschluß von Schüler und Lehrer durch die Bande gemeinsamen Interesses und froher Geselligkeit. Jener unsteten Energie, die so oft zur Gefahrenquelle für die Jugend wird, bietet sich ein segensreicher Weg ins Freie. Die Beschäftigung des Geistes mit dem Guten bedeutet einen besseren Schutz gegen das Böse als zahllose Zuchtmaßnahmen und Gesetzesschranken.Ez54 197.3

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