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    Kapitel 34: Rechte Zucht

    “Strafe, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre.”

    Gehorsam ist eine der ersten Tugenden, die ein Kind lernen muß. Ehe es alt genug ist, vernünftig zu urteilen, kann man es lehren zu gehorchen. Durch sanfte, aber beharrliche Bemühung sollte ihm diese Gewohnheit eingepflanzt werden. Damit kann man jenen späteren Auseinandersetzungen zwischen Wille und Autorität, die so viel Entfremdung und Bitterkeit gegenüber Eltern und Lehrern verursachen und so oft zum Widerstand gegen alle menschliche und göttliche Befehlsgewalt führen, in starkem Maße vorbeugen.Ez54 263.2

    Ziel der Zucht ist es, das Kind zur Selbständigkeit heranzubilden. Es soll Selbstvertrauen und Selbstbeherrschung in sich entwickeln. Deshalb muß man seine Vernunft in den Dienst des Gehorsams stellen, sobald es Zusammenhänge verstehen kann. Die ganze Behandlung sollte dem Kinde zeigen, daß das Gehorchen recht und billig ist. Man bringe es zu der Einsicht, daß alle Dinge einer Gesetzlichkeit unterstehen und daß Ungehorsam am Ende zu Unheil und Leiden führt. Wenn Gott sagt: “Du sollst nicht”, dann warnt er uns in Liebe vor den Folgen der Unbotmäßigkeit, um uns vor Schaden und Verlust zu bewahren.Ez54 263.3

    Man verhelfe dem Kinde zu der Erkenntnis, daß Eltern und Lehrer die Stellvertreter Gottes und, soweit sie in Übereinstimmung mit ihm handeln, ihre Gesetze im Heim und in der Schule auch die seinen sind. Wie das Kind den Eltern und Lehrern Gehorsam schuldet, so haben diese Gott zu gehorchen.Ez54 264.1

    Eltern und Lehrer sollten sich fragen, wie sie die Entwicklung des Kindes lenken können, ohne durch unangebrachtes Eingreifen hemmend zu wirken. Zu viele Erziehungsmaßnahmen sind ebenso schlimm wie zu wenige. Das Bemühen, den Willen eines Kindes zu brechen, stellt einen gewaltigen Mißgriff dar. Die Menschen sind ja doch verschieden veranlagt; während durch Gewalt eine äußere Unterwerfung erreicht werden mag, ist bei vielen Kindern das wirkliche Ergebnis eine um so entschiedenere innere Empörung. Selbst wenn die Eltern oder der Lehrer die angestrebte Herrschaft tatsächlich erzwingen, sind die Folgen für das Kind nicht weniger bedenklich. Die Erziehung eines Menschen, der ein vernünftiges Alter erreicht hat, sollte sich von der Aufzucht eines stummen Tieres unterscheiden. Das Vieh lehrt man bloße Unterwürfigkeit gegen seinen Gebieter; ihm ist der Herr Verstand, Urteil und Wille zugleich. Diese Methode, die manchmal auch bei der Erziehung von Kindern angewandt wird, macht sie zu nicht viel mehr als zu Automaten. Verstand, Wille und Gewissen stehen dann unter dem Zwang eines andern. Es ist nicht Gottes Absicht, daß irgendein Menschengeist so beherrscht werden sollte. Wer die Persönlichkeit schwächt oder zerstört, lädt eine Verantwortung auf sich, die nur Schlimmes zeitigen kann. Solange die Kinder noch unter einer Befehlsgewalt stehen, mögen sie sich wie gutgedrillte Soldaten ausnehmen. Wenn dann aber der Zwang aufhört, wird ihr Charakter einen Mangel an Stärke und Beharrlichkeit aufweisen. Da solche Jugendlichen nie gelernt haben, sich selbst zu beherrschen, erkennen sie außer den Forderungen der Eltern und Lehrer keine Einschränkung an. Sobald diese dann entfällt, wissen die jungen Menschen ihre Freiheit nicht zu gebrauchen und geben sich oft einem Genußleben hin, das ihnen zum Verderben wird.Ez54 264.2

    Da es für manche Schüler sehr viel schwerer ist als für andere, ihren Willen zu beugen, sollte es der Lehrer ihnen so leicht wie möglich machen, seinen Forderungen zu gehorchen. Der Wille sollte gelenkt und geformt, nicht aber verneint oder unterdrückt werden. Man sollte die Kraft des Wollens erhalten, denn im Lebenskampf wird sie benötigt.Ez54 265.1

    Jedes Kind sollte um die wahre Kraft des Willens wissen und sehen lernen, welch eine große Verantwortung in dieser Gabe liegt. Der Wille ist die beherrschende Macht in der menschlichen Natur; auf ihm beruht das Vermögen, zu wählen oder zu entscheiden. In jeder Lebenslage gilt für uns das Wort des Herrn: “Erwählet euch heute, wem ihr dienen wollt.” Josua 24,15. Jeder Mensch kann sich mit seinem Willen auf die Seite des WilIens Gottes stellen und den Gehorsam ihm gegenüber erwählen. Er vermag also, wenn er sich auf diese Weise mit göttlichen Mächten verbindet, einen Standort zu beziehen, auf dem ihn niemand zum Bösestun zwingen kann. Jedem Jugendlichen, jedem Kind wohnt die Kraft inne, mit Gottes Hilfe einen redlichen Charakter zu entwickeln und ein nützliches Leben zu führen.Ez54 265.2

    Die Eltern oder die Lehrer, die in dem Kinde durch solche Unterweisungen Selbstbeherrschung entwickeln, werden sich als die brauchbarsten und auf die Dauer erfolgreichsten Erzieher erweisen. Der oberflächliche Betrachter mag in ihrer Arbeit nicht sehr viel erblicken; vielleicht wird er sie nicht so hoch einschätzen wie die eines andern, der den Verstand und den Willen des Kindes unter seine absolute Herrschaft zwingt. Spätere Jahre werden jedoch durch das Ergebnis die bessere Erziehungsmethode rechtfertigen.Ez54 265.3

    Der weise Erzieher wird bei der Behandlung seiner Schüler danach streben, ihr Vertrauen zu wecken und ihr Ehrgefühl zu stärken. Es ist für Kinder und Jugendliche gut, wenn man ihnen vertraut. Viele von ihnen, sogar kleine Kinder, haben ein starkes Ehrgefühl; alle aber möchten mit Vertrauen und Achtung behandelt werden, und das ist ihr gutes Recht. Sie sollten nicht unter dem Eindruck stehen, daß sie weder aus- noch eingehen können, ohne überwacht zu werden. Argwohn schadet, weil er gerade die Übel hervorruft, denen er vorzubeugen sucht. Lehrern, die mit ihren Schülern verbunden sind, werden, statt ständig zu lauern, als ob sie Böses vermuteten, das Spiel der ruhelosen Geister durchschauen und Einflüsse geltend machen, die dem Übel entgegenwirken. Laßt die Jugend spüren, daß man ihr vertraut, und nur wenige werden nicht versuchen, sich des Vertrauens würdig zu erweisen.Ez54 265.4

    Nach derselben Regel ist es besser zu bitten, als zu befehlen; der so Angesprochene hat dann Gelegenheit, seine Treue zu richtigen Grundsätzen darzutun. Sein Gehorsam entspringt eher der freien Wahl als dem Zwang.Ez54 266.1

    Die im Schulzimmer herrschenden Regeln sollten nach Möglichkeit den Geist der Schule verkörpern. Jeder darin enthaltene Grundsatz muß dem Schüler so dargelegt werden, daß er von seiner Berechtigung überzeugt ist. Dann wird er sich auch verantwortlich fühlen, darauf zu achten, daß man die Regeln, die er selbst mit festgelegt hat, befolgt. Es sollte nur wenige, aber wohlüberlegte Verordnungen geben. Sind sie jedoch einmal erlassen, dann muß man ihnen auch Geltung verschaffen. Was unumstößlich ist, lernt der Verstand einsehen und befolgen. Doch die Möglichkeit eines Nachgebens ruft Wünsche, Hoffnungen und Ungewißheit hervor, und Unruhe, Reizbarkeit und Widersetzlichkeit sind die Folgen.Ez54 266.2

    Es sollte klargestellt werden, daß der Herrscherwille Gottes keinen Vergleich mit dem Bösen eingeht. Ungehorsam darf man denn auch weder im Heim noch in der Schule dulden. Kein Elternteil oder Lehrer, dem das Wohl seiner Schützlinge am Herzen liegt, wird dem starren Eigenwillen, der der Autorität trotzt oder zu Ausflüchten und Vorwänden greift, um nicht gehorchen zu müssen, in etwas nachgeben. Wer sich in einen Handel mit dem Unrecht einläßt, wer durch Zureden und lockende Versprechungen Willfährigkeit zu erreichen sucht, handelt nicht aus Liebe, sondern aus Sentimentalität und gibt sich statt mit dem Geforderten schließlich mit einem Ersatz zufrieden.Ez54 266.3

    “Die Narren treiben das Gespött mit der Sünde.” Sprüche 14,9. Wir sollten uns hüten, die Sünde leicht zu nehmen. Sie hat eine furchtbare Gewalt über den Übeltäter. “Die Missetat des Gottlosen wird ihn fangen, und er wird mit dem Strick seiner Sünde gehalten werden.” Sprüche 5,22. Das größte Unrecht, das man einem Kinde oder Jugendlichen antun kann, ist, zuzulassen, daß es sich in den Fesseln einer üblen Gewohnheit verfängt.Ez54 267.1

    Der Jugend ist die Liebe zur Freiheit angeboren, sie wünscht Ungebundenheit; sie muß aber verstehen lernen, daß man sich dieser unschätzbaren Segnung nur im Gehorsam gegen Gottes Gebot erfreuen kann. Das Gesetz Gottes ist der Hüter wahrer Freiheit und Ungebundenheit. Es stellt heraus und verbietet das, was uns erniedrigt und versklavt. Damit bietet es dem Gehorsam Schutz vor der Macht des Bösen.Ez54 267.2

    Der Psalmist sagt: “So werde ich wandeln auf freier Bahn; denn ich habe mich stets um deine Befehle gekümmert.” “Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute.” Psalm 119,45 (Menge). Psalm 119,24.Ez54 267.3

    Bei unseren Bemühungen, das Böse auszumerzen, sollten wir uns vor Tadelsucht und Krittelei hüten. Beständiger Tadel macht irre, doch er bessert nicht. Für viele Gemüter, und oft gerade für die empfindsamsten, erweist sich die Atmosphäre unfreundlicher Kritik als verhängnisvoll. Blumen entfalten sich nicht unter dem Hauch eines giftigen Windes.Ez54 267.4

    Wenn ein Kind häufig wegen eines bestimmten Fehlers getadelt wird, betrachtet es ihn schließlich als eine Eigenheit, gegen die man vergeblich ankämpft. Dadurch kommt es zu Entmutigung und Hoffnungslosigkeit, die sich oft nur unter scheinbarer Gleichgültigkeit oder selbstsicherem Auftreten verbergen. Der eigentliche Zweck eines Verweises ist erst erreicht, wenn der Übeltäter seinen Fehler einsieht und seinen Willen zur Besserung aufbietet. Ist er dahin gekommen, dann weise ihn auf die Quelle der Kraft und der Vergebung hin. Suche seine Selbstachtung zu bewahren und ihm Mut und Hoffnung einzuflößen.Ez54 267.5

    Das ist die heikelste und schwerste Aufgabe, die jemals menschlichen Wesen anvertraut wurde. Sie erfordert ein sehr feines Taktgefühl, ein äußerst zartes Empfinden, ein Wissen um die menschliche Natur, aber auch göttlich gewirkte Zuversicht und Geduld, die willens ist zu wirken, zu wachen und zu warten. Es gibt nichts Wichtigeres als diese Arbeit.Ez54 267.6

    Wer andere lenken will, muß sich zuerst selbst zügeln. Wenn man mit einem Kinde oder mit einem Jugendlichen unbeherrscht umgeht, wird nur Bitterkeit hervorgerufen. Lehrer oder Eltern, die ungeduldig werden und in Gefahr stehen, töricht zu reden, sollten stille werden. Im Schweigen liegt eine wunderbare Macht.Ez54 268.1

    Der Lehrer muß darauf gefaßt sein, üblen Anlagen und verstockten Herzen zu begegnen. Aber bei ihrer Behandlung sollte er nie vergessen, daß er selbst einmal ein Kind war, das der Zucht bedurfte. Selbst jetzt noch, bei allen Vorteilen, die Alter, Erziehung und Erfahrung mit sich bringen, irrt er häufig und braucht Barmherzigkeit und Geduld. Wenn er junge Menschen aufzieht, sollte er berücksichtigen, daß er es mit Wesen zu tun hat, die ganz wie er zum Bösen neigen. Sie müssen fast noch alles lernen, und einigen von ihnen fällt das viel schwerer als den übrigen. Mit dem schwachen Schüler sollte der Lehrer Geduld haben und seine Unwissenheit nicht tadeln, sondern jede Gelegenheit benutzen, um ihn zu ermutigen. Mit empfindlichen, reizbaren Zöglingen muß er sehr feinfühlig umgehen. Das Gefühl der eigenen Unvollkommenheit sollte ihn ständig zu Mitgefühl und Nachsicht gegen die veranlassen, die ebenfalls mit Schwierigkeiten kämpfen.Ez54 268.2

    Die Regel des Heilandes: “Wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, also tut ihnen gleich auch ihr” (Lukas 6,31), sollte zum Leitsatz all derer werden, die die Erziehung von Jugendlichen und Kindern übernehmen. Bilden diese doch die jüngeren Glieder der Familie Gottes und sind mit uns Erben der lebenspendenden Gnade. Christi goldene Regel sollte den Jüngsten, Einfältigsten und Ungeschicktesten, ja selbst noch den Irrenden und Widerspenstigen gegenüber heilig ernst genommen werden.Ez54 268.3

    Diese Regel wird den Lehrer davor bewahren, einen Fehler oder ein Vergehen seiner Schüler öffentlich anzuprangern. Er wird sich bemühen, Tadel und Strafe nicht in Gegenwart von andern auszuteilen. Er wird keinen Schüler von der Anstalt weisen, bis nicht alles zu seiner Besserung versucht ist. Wenn es sich aber herausstellt, daß der Betreffende dabei nichts mehr gewinnt, während sein Trotz und seine Mißachtung der Autorität die Schuldisziplin zu zersetzen drohen und sein Einfluß andere gefährdet, wird sein Ausscheiden notwendig. Doch bei vielen würde die Schande öffentlicher Entlassung nur zu völliger Bedenkenlosigkeit und zum Verderben führen. In den meisten Fällen, bei denen eine Entfernung unvermeidlich ist, braucht diese nicht öffentlich zu erfolgen. Der Lehrer sollte in gemeinsamer Beratung und im Zusammenwirken mit den Eltern die Entlassung des Schülers im stillen vornehmen.Ez54 268.4

    In dieser für die Jugend besonders gefahrvollen Zeit ist sie überall von Versuchungen umgeben. Während es leicht ist, sich treiben zu lassen, bedarf es der stärksten Anstrengung, um gegen den Strom zu schwimmen. Jede Schule sollte eine “Freistatt” für die angefochtene Jugend sein: ein Ort, wo man geduldig und weise mit ihren Torheiten verfährt. Verantwortungsbewußte Lehrer werden aus ihrem Leben und aus ihrem Innern alles entfernen, was sie daran hindert, eigensinnige und unbotmäßige Schüler erfolgreich zu betreuen. Liebe und Zartgefühl, Geduld und Selbstbeherrschung werden allezeit ihre Rede bestimmen. Gerechtigkeit wird sich mit Barmherzigkeit und Mitleid verschmelzen. Ist ein Verweis vonnöten, so wird sich der Lehrer vor übermäßiger Schärfe hüten und selbst demütig bleiben. In Güte wird er dem Übeltäter seine Verfehlungen vorhalten und ihm helfen, sich wieder zurechtzufinden. Jeder echte Lehrer empfindet—sollte er je irren,—daß es besser ist, zur Barmherzigkeit als zur Strenge hin zu irren.Ez54 269.1

    Viele Jugendliche, die man für unverbesserlich hält, sind im Innern nicht so verhärtet, wie es scheinen mag. Manche Irrende, deren Fall als hoffnungslos angesehen wird, könnte man durch weise Maßnahmen zurückgewinnen. Oft sind es gerade sie, die durch Freundlichkeit am schnellsten weich werden. Der Lehrer erwerbe sich das Vertrauen des angefochtenen Schülers: wenn er das Gute im Charakter seines Schützlings erkennt und entwickelt, kann er das Übel in den meisten Fällen beseitigen, ohne die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.Ez54 269.2

    Der göttliche Lehrer trägt die Irrenden bei all ihren Verkehrtheiten mit Geduld. Seine Liebe erkaltet nicht, seine Bemühungen, sie zu gewinnen, hören nicht auf. Mit ausgebreiteten Armen wartet er darauf, die Irrenden, die Widersetzlichen, ja sogar die Abgefallenen immer wieder willkommen zu heißen. Sein Herz ist von der Hilflosigkeit des kleinen, herumgestoßenen Kindes berührt. Nie verhallt der Schrei menschlicher Leiden, der an sein Ohr dringt, ungehört. Obwohl in seinen Augen alle Menschen kostbar sind, ziehen doch die rauhen, finsteren, halsstarrigen Naturen seine Teilnahme und Liebe am stärksten auf sich, denn er schließt von der Ursache auf die Wirkung. Wer am leichtesten versucht wird und am ehesten zum Fall neigt, dem gilt ganz besonders seine Sorge.Ez54 270.1

    Alle Eltern und Lehrer sollten die Eigenschaften dessen pflegen, der die Sache der Betrübten, Leidenden und Angefochtenen zu seiner eigenen macht. Jeder Erzieher müßte ein Mensch sein, “der da könnte mitfühlen mit denen, die da unwissend sind und irren, dieweil er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit”. Hebräer 5,2. Jesus behandelt uns weit besser, als wir es verdienen; und wie er mit uns umgeht, sollten wir mit andern verfahren. Eine Maßnahme der Eltern und Lehrer ist niemals zu rechtfertigen, wenn sie nicht der gleicht, die der Heiland unter ähnlichen Umständen auch ergreifen würde.Ez54 270.2

    Über die Erziehung im Heim und in der Schule hinaus müssen alle Menschen die strenge Zucht des Lebens auf sich nehmen. Wie man das zu seinem Besten tut, ist ein Kapitel, das jedem Kind und jedem Jugendlichen klargemacht werden sollte. Es ist wahr, daß Gott uns liebt, daß er auf unser Glück hinwirkt und daß wir bei immerwährender Befolgung seines Gesetzes nie das Leid kennengelernt hätten; ebenso wahr ist es allerdings, daß auf dieser Welt eben infolge der Sünde jedes Leben von Schmerz, Mühsal und Belastungen heimgesucht wird. Wir können den Kindern und der Jugend eine lebenslange Wohltat erweisen, wenn wir sie lehren, diese Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten tapfer zu bestehen. Wir sollten ihnen zwar Mitgefühl zeigen, doch niemals so, daß sie sich selbst bemitleiden. Ansporn und Stärkung brauchen sie, aber keine Verhätschelung.Ez54 270.3

    Wir sollten unseren jungen Leuten klarmachen, daß diese Welt kein Paradeplatz, sondern ein Schlachtfeld ist. Sie alle sind berufen, als gute Soldaten Härten zu ertragen. Sie sollen stark sein und wie Männer ihre Schuldigkeit tun. Man sage ihnen, daß die Willigkeit, Lasten auf sich zu nehmen, den schwierigen Posten zu wählen, die Arbeit zu tun, die nun einmal getan werden muß, selbst wenn sie hier auf Erden weder Anerkennung noch Belohnung mit sich bringt, den wahren Prüfstein des Charakters darstellt.Ez54 271.1

    Das richtige Verhalten in Prüfungen besteht nicht darin, daß man ihnen ausweicht, sondern daß man sie zu einem Segen macht. Dies trifft für die Erziehung der frühen wie auch der späteren Jahre zu. Vernachlässigung der Zucht beim Kleinkind und die daraus folgende Stärkung verkehrter Neigungen erschwert die spätere Erziehung und läßt jede erzieherische Maßnahme nur allzuoft zu einem schmerzhaften Vorgang werden. Schmerzhaft muß er freilich für die niedere Natur sein, weil er die natürlichen Wünsche und Neigungen durchkreuzt; doch vielleicht wird der Schmerz überstrahlt von einer höheren Freude.Ez54 271.2

    Das Kind und der junge Mensch mögen lernen, daß jeder Fehler, jedes Vergehen und jede Schwierigkeit, die man überwindet, eine Stufe zu Besserem und Höherem verkörpert. Aus solchen Erfahrungen heraus haben alle, die jemals ihr Leben lebenswert gestalteten, Erfolge errungen.Ez54 271.3

    “Zur Höhe, die die Großen einst erklommen,
    Gelangten niemals sie in schnellem Flug.
    Bei Nacht, mit Mühe wurde sie genommen,
    Als andre süß der Schlaf ins Traumland trug.
    Wir wachsen nur an dem, was wir bezwingen;
    Die Sucht, im Kampf gemeistert, schafft Gewinn.
    Indem wir Stolz und Lüste niederringen Und jedes Übel, reift der Edelsinn.
    Was heute und auch morgen mag geschehen,
    Was mit dem Augenblick entsteht, verrinnt,
    Des Alltags Freuden und die Kummerwehen
    Nur Stufen auf dem Weg zur Höhe sind.”
    Ez54 271.4

    Wir sollen “nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.” 2.Korinther 4,18. Mit der Verleugnung selbstsüchtiger Wünsche und Neigungen tauschen wir das Wertlose, Vergängliche gegen das Wertvolle, Dauernde ein. Das ist kein Opfer, sondern unendlicher Gewinn.Ez54 272.1

    “Besseres bieten”, so lautet das Losungswort aller Erziehung und zugleich das Gesetz aller echten Lebensführung. Wo immer uns Christus zum Verzicht auffordert, bietet er uns dafür etwas Besseres an. Oft hängt die Jugend Plänen, Beschäftigungen oder Freuden nach, die offenbar nicht schlecht sind und doch an den höchsten Wert nicht heranreichen. Sie lenken das junge Leben von seinem edelsten Ziel ab. Willkürliche Maßregeln oder scharfe Verweise mögen die Jugendlichen nicht dazu bringen, das aufzugeben, was ihnen teuer ist. Man muß sie auf etwas hinweisen, was besser ist als äußeres Gepränge, Ehrgeiz oder Befriedigung des eigenen Ichs. Bringt sie mit echter Schönheit, mit erhabenen Grundsätzen, mit einer edleren Lebenshaltung in Verbindung. Laßt sie den schauen, der “ganz lieblich” ist. Wenn der Blick erst einmal auf ihm ruht, wird er zum Mittelpunkt des Lebens. Die Begeisterung, die verschwenderische Hingabe und der leidenschaftliche Eifer der Jugend finden hier ihr wahres Ziel. Die Pflicht wird zur Freude und das Opfer zum Vergnügen. Christus zu ehren, ihm gleich zu werden und für ihn zu wirken das ist des höchsten Strebens wert und bildet die größte Freude unseres Daseins. “Die Liebe Christi dringt uns also.” 2.Korinther 5,14.Ez54 272.2

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