Unter den Christen besteht heute ein schrecklicher Mangel an Mitgefühl, das man für ungerettete Seelen empfinden sollte. Wie können wir, wenn unsre Herzen nicht in Einklang mit dem Herzen Christi schlagen, die Heiligkeit und Wichtigkeit des Werkes erfassen, zu dem wir durch die Worte berufen sind: “Wachet über Seelen, als die da Rechenschaft geben sollen!”? Wir reden von christlichen Missionen, man hört unsre Stimmen; haben wir aber auch Christi zartes, herzliches Verlangen, Seelen zu retten? Sch3 265.1
Aus allen Ländern ertönt der mazedonische Ruf: “Komm herüber und hilf uns!” Gott hat vor uns Gebiete erschlossen, und wenn menschliche Werkzeuge mit den göttlichen zusammenwirkten, könnten viele, viele Seelen für die Wahrheit gewonnen werden. Aber das bekenntliche Volk des Herrn ist über der ihm zugewiesenen Arbeit eingeschlafen und hat sie an vielen Orten ganz unangetastet gelassen. Gott hat Botschaft auf Botschaft gesandt, um unser Volk aufzurütteln, etwas zu tun, und es jetzt zu tun. Auf den Ruf: “Wen soll ich senden?” haben nur wenige geantwortet: “Hier bin ich; sende mich!” Jesaja 6,8. Sch3 265.2
Wenn die Schande der Trägheit und Faulheit von der Gemeinde genommen sein wird, dann wird sich Gottes Geist gnädig bekunden und seine Kraft sich offenbaren. Das Licht der Wahrheit wird in klaren, mächtigen Strahlen hervorleuchten. Wie zur Zeit der Apostel werden sich viele Seelen vom Irrtum zur Wahrheit wenden, und die Erde wird von der Herrlichkeit des Herrn erleuchtet werden. Die Engel des Himmels warten schon lange auf menschliche Werkzeuge, auf Gemeindeglieder, um mit ihnen an dem erforderlichen Werk zusammenzuarbeiten. Sie warten auf euch. Das Feld ist so weit, der Plan so umfassend, daß sich jedes geheiligte Herz als ein Werkzeug der göttlichen Macht zum Dienst gedrungen fühlt. Sch3 265.3
Gleichzeitig wird aber auch eine Macht von unten tätig sein. Während Gottes Gnadenboten durch geweihte Menschen wirken, treibt Satan seine Werkzeuge zur Arbeit an und macht sich alle zinsbar, die sich seiner Herrschaft unterstellen. Es wird viele Herren und viele Götter geben. Man wird den Ruf hören: “Siehe, hier ist Christus!” — “Siehe, da ist Christus!” Satans listige Anschläge werden sich überall zeigen, um die Aufmerksamkeit der Menschen von der gegenwärtigen Pflicht abzuwenden. Es werden Zeichen und Wunder geschehen. Aber die Gläubigen werden in all diesen Bekundungen Vorboten der großen und schrecklichen Zukunft, aber auch des Sieges erblicken, den Gottes Volk erwartet. Sch3 265.4
Schafft, o schafft mit dem Blick auf die Ewigkeit! Vergeßt nicht, daß jede Fähigkeit geheiligt werden muß. Es muß ein großes Werk getan werden. Betet mit aufrichtigen Lippen: “Gott sei uns gnädig und segne uns; er lasse uns sein Antlitz leuchten, daß man auf Erden erkenne seinen Weg, unter allen Heiden sein Heil.” Psalm 67,2.3. Sch3 266.1
Wer erfahren hat, was Erlösung für ihn und seine Mitmenschen bedeutet, der wird im Glauben wandeln und die großen Nöte der Menschen erkennen. Sein Herz wird von Mitgefühl bewegt, wenn er die weit verbreitete Armut in der Welt sieht, die bittere Not der Massen, denen es an Nahrung und Kleidung fehlt, aber auch den sittlichen Tiefstand Tausender, die ein solch schlimmes Geschick erleiden, daß daneben die körperlichen Nöte gering erscheinen. Sch3 266.2
Möchten doch alle Gemeindeglieder bedenken, daß sie nicht errettet werden, weil ihre Namen in den Gemeindebüchern stehen. Sie müssen sich als von Gott anerkannt erweisen, als Mitarbeiter, die sich nicht zu schämen brauchen. Tag für Tag müssen sie ihren Charakter nach Christi Anweisungen heranbilden. Sie müssen in ihm bleiben und beständig den Glauben an ihn üben. Auf diese Weise werden sie zur Vollreife von Männern und Frauen in Christus heranwachsen und als gesunde, fröhliche, dankbare Christen von Gott zu immer hellerem Licht geführt. Sollte dies aber nicht ihre Erfahrung sein, dann werden sie eines Tages zu denen gehören, deren Stimmen in den bitteren Klageruf ausbrechen: “Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin”, und meine Seele ist nicht gerettet! Warum bin ich nicht zur Sicherheit in die Festung geflüchtet? Warum habe ich mit meinem Seelenheil gespielt und den Geist der Gnade verachtet? Sch3 266.3
“Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilt sehr.” Zephanja 1,14. Laßt uns, gestiefelt, zu treiben das Evangelium, bereit sein, auf den Wink des Augenblicks voranzugehen. Jede Stunde, jede Minute ist kostbar. Wir haben keine Zeit mit der Befriedigung des Ichs zu verlieren. Rings um uns gehen Seelen in Sünden zugrunde. Jeden Tag gibt es etwas für unsern Herrn und Meister zu tun. Täglich müssen wir Seelen auf das Lamm Gottes hinweisen, das der Welt Sünde trägt. Sch3 266.4
“Seid ihr auch bereit, denn des Menschen Sohn wird kommen zu einer Stunde, da ihr’s nicht meinet.” Matthäus 24,44. Geht abends nicht zur Ruhe, ohne jede Sünde bekannt zu haben. Das taten wir 1844, als wir darauf warteten, unserm Herrn zu begegnen. Jetzt ist dieses große Ereignis näher als damals, da wir gläubig wurden. Seid allezeit bereit, sei es Abend, Morgen oder Mittag, auf daß ihr, wenn der Ruf erschallt: “Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus ihm entgegen!”, selbst wenn ihr vom Schlafe erweckt werdet, ihm mit euren brennenden und geschmückten Lampen entgegengehen könnt. Sch3 267.1