“So seht ihr nun, daß der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein ... Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.” Jakobus 2,24.26. So unerläßlich es ist, an Jesus zu glauben und daran, daß man durch ihn gerettet ist, so gefahrvoll ist es andererseits, sich wie viele es tun — auf den Standpunkt zu stellen: “Ich bin gerettet!” Oft wird gefordert: “Du mußt gute Werke tun, dann wirst du leben”, aber ohne Christus kann niemand gute Werke vollbringen. Viele behaupten heutzutage: “Du mußt glauben, nur glauben, dann wirst du leben!” Glaube und gute Werke, das heißt glauben und tun, gehören zusammen. Der Herr erwartet von uns heute nicht weniger als von Adam, bevor er im Paradies sündigte: vollendeten Gehorsam und makellose Gerechtigkeit. Gottes Anforderungen unter dem Gnadenbund sind genauso umfassend wie damals im Paradies: Übereinstimmung mit seinem Gesetz, das heilig, gerecht und gut ist. Das Evangelium schwächt die Forderungen des Gesetzes nicht ab, sondern erhöht das Gesetz und ehrt es. Im neuen Bund wird nicht weniger erwartet als im alten. Niemand gebe sich der Täuschung hin, die dem unbekehrten Herzen so angenehm ist, Gott käme es nur auf die Aufrichtigkeit an, gleich wie es um den Glauben bestellt und wie unvollkommen die Lebensführung auch immer sein mag. Nein, Gott erwartet von seinen Kindern vollständigen Gehorsam. FG1 394.1
Unser Glaube muß seinen Halt in der Gerechtigkeit Christi finden und sie als die eigene annehmen, wenn wir den Forderungen des Gesetzes nachkommen wollen. Erst durch die Gemeinschaft mit Christus und die Annahme seiner Gerechtigkeit durch den Glauben werden wir ertüchtigt, Gottes Werke zu tun und Mitarbeiter Christi zu sein. Läßt du dich aber vom Bösen treiben und vereinst du dich nicht mit den himmlischen Mächten, um in deiner Familie und in der Gemeinde der Übertretung Einhalt zu gebieten und der Gerechtigkeit Raum zu schaffen, so besitzt du keinen Glauben. Die Werke des Glaubens geschehen in der Liebe, sie reinigen das Gemüt. Durch den Glauben beeinflußt der Heilige Geist das Herz und macht es heilig; dies wiederum kann nur geschehen, wenn das menschliche Werkzeug mit Christus zusammenarbeitet. Indem der Heilige Geist auf das Herz einwirkt, werden wir für den Himmel zugerüstet. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht; denn wir müssen Christi Gerechtigkeit als unsere Bürgschaft empfangen, um Zugang zum Vater zu finden. Der Erhalt der Gerechtigkeit Christi wiederum ist davon abhängig, daß wir durch den Einfluß des Geistes täglich umgewandelt werden. Auf diese Weise werden wir zu Teilhabern an der göttlichen Natur. Der Heilige Geist veredelt unsere Neigungen und heiligt das Herz, so daß schließlich der ganze Mensch veredelt wird. FG1 394.2
Unsere Seele sollte Christus zugewandt sein: “Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!” Johannes 1,29. Keiner wird dazu gezwungen, zu Christus aufzuschauen; doch die Einladung ergeht an uns mit sehnsüchtiger Dringlichkeit: “Sieh auf und lebe!” Der Blick auf Christus offenbart uns, wie unvergleichlich groß seine Liebe ist. Sie hat ihn dazu veranlaßt, den Platz des Schuldigen einzunehmen und diesem dafür seine fleckenlose Gerechtigkeit zu verleihen. Wenn wir uns als sündige Menschen vorstellen, wie unser Heiland an unsrer Statt den Fluch der Sünde trug und starb, läßt diese vergebungsbereite Liebe in unseren Herzen Gegenliebe erstehen. Der Sünder liebt Christus, weil dieser ihn zuerst geliebt hat. Die Liebe aber ist die Erfüllung des Gesetzes. Wer von Herzen bereut, der erkennt auch, daß Gott “treu und gerecht” ist, “daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit”. Gottes Geist arbeitet in der Seele des Gläubigen und läßt ihn sichtbare Fortschritte im Gehorsam machen, so daß er immer mehr Kraft und Gnade in Christus empfängt. FG1 395.1
Gerechterweise verurteilt Gott jene, die Christus nicht zu ihrem persönlichen Heiland machen. Aber er vergibt jedem, der sich ihm im Glauben naht; er befähigt ihn, seine Werke zu vollbringen und im Glauben eins mit Christus zu sein. Jesus sagt von solchen Menschen: “Ich in ihnen und du in mir, daß sie vollkommen eins seien [diese Einheit bewirkt die Vollkommenheit des Charakters] und die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.” Johannes 17,23. Der Herr hat alle Vorsorge dafür getroffen, daß wir Menschen ein volles, freies Heil erhalten und in ihm vollendet werden können. Gott möchte, daß seine Kinder vom hellen Schein der Sonne der Gerechtigkeit erfaßt werden und so das Licht der Wahrheit haben. Gott hat für die Erlösung der Welt durch die Gabe seines Sohnes einen unermeßlich hohen Preis gezahlt. Der Apostel Paulus fragt: “Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben — wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?” Römer 8,32. Wenn wir nicht erlöst werden sollten, liegt somit die Schuld nicht bei Gott, sondern bei uns: Wir haben versäumt, mit den göttlichen Mächten zusammenzuwirken. Unser Wille stand nicht in Übereinstimmung mit Gottes Willen. FG1 396.1
Der Erlöser der Welt überkleidete sein göttliches Wesen mit der menschlichen Natur, um die Menschheit zu erreichen. Es bedurfte des Göttlichen und des Menschlichen, um der Welt die Erlösung zu bringen, die für den gefallenen Menschen nötig war. Die Gottheit brauchte die menschliche Natur, damit ein Kanal der wechselseitigen Kommunikation zwischen Gott und Mensch eröffnet werden konnte. Wir Menschen haben eine Kraft nötig, die außerhalb von uns, die über uns liegt, um in das Bild Gottes umgestaltet werden zu können. Doch obwohl wir göttliche Hilfe brauchen, sind damit unsere menschlichen Bemühungen nicht unwirksam. FG1 396.2
Von seiten des Menschen ist der Glaube gefordert-, denn der Glaube wird durch die Liebe tätig und reinigt die Seele. Der Glaube beansprucht die Verdienste Christi. Der Herr möchte nicht, daß die menschliche Kraft gelähmt wird; im Zusammenwirken mit Gott kann sie zum Guten eingesetzt werden. Gott möchte ebensowenig, daß unsere Willenskraft zerstört wird; denn gerade durch sie können wir zu Hause und unterwegs den Dienst verrichten, den er uns aufgetragen hat. Er hat jedem Menschen seine Aufgabe zugeteilt und jeder treue Mitarbeiter strahlt als ein Licht in die Welt hinein, weil er mit Gott und Christus sowie den heiligen Engeln im großen Erlösungswerk an den Verlorenen verbunden ist. Die Gemeinschaft mit der himmlischen Welt macht ihn immer fähiger für die Arbeit für Gott. Indem er in dem Maße, wie Gottes Gnade auf ihn einwirkt, nach außen hin tätig wird, erfährt der Gläubige geistliches Wachstum. Wer also die ihm verliehenen Gaben anwendet, wird ein weiser Baumeister seines Herrn; er befindet sich in der Schule Christi, der ihn lehrt, Gottes Werke zu vollbringen. Er wird weder Lasten noch Verantwortlichkeiten scheuen, denn er weiß, daß jeder seiner Fähigkeiten im Werke Gottes voll einbringen sollte. So macht er sich mit Feuereifer an die Arbeit; Jesus wiederum wird dafür sorgen, daß sein treuer Diener nicht zerrieben wird. Wir brauchen niemanden zu bedauern, der schwere Verantwortung in Gottes Werk trägt, solange er vertrauensvoll und redlich mit Gott zusammenarbeitet. Durch die Verbindung göttlicher und menschlicher Bemühungen wird das Werk vollendet. Wer dagegen Verantwortlichkeiten aus dem Wege geht, hat noch nicht das Vorrecht begriffen, zu dem er berufen ist. Deshalb ist er es, der in Wahrheit zu bedauern ist. FG1 396.3