Von den Amoritern sagte der Herr: “Sie aber sollen nach vier Mannesaltern wieder hierher kommen; denn die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll.” 1.Mose 15,16. Obgleich dieses Volk durch seinen Götzendienst und seine Verdorbenheit auffiel, hatte es das Maß seiner Ungerechtigkeit noch nicht voll gemacht, und darum wollte Gott den Befehl für seine endgültige Vernichtung noch nicht geben. Es sollte die Macht Gottes noch in einer besonderen Weise offenbart bekommen, damit es keine Entschuldigung hätte. Der mitleidige Schöpfer war bereit, mit dessen Ungerechtigkeit bis ins vierte Glied Nachsicht zu haben. Wenn aber dann noch keine Änderung zum Besseren eingetreten wäre, sollten seine Gerichte das Volk treffen. Sch2 52.2
Mit unfehlbarer Genauigkeit bucht der Unendliche noch die Taten aller Völker. Solange er seine Gnade mit der Aufforderung zur Buße anbietet, bleibt die Rechnung offen. Wenn aber die Ziffern eine bestimmte Höhe erreicht haben, die Gott festgesetzt hat, beginnt das Amt seines Zornes. Die Bilanz wird gezogen. Gottes Geduld ist zu Ende. Nun werden die Völker nicht mehr durch die Gnade verteidigt. Sch2 52.3
Dem Propheten, der den Weltlauf überschaute, wurde diese Zeit im Gesicht vorgeführt. Die Völker unseres Zeitalters haben beispiellose Gnadenerweisungen empfangen. Des Himmels auserwählte Segnungen sind ihnen zuteil geworden, aber wachsender Stolz, Begehrlichkeit, Abgötterei, Gottesverachtung und niedrige Undankbarkeit stehen auf ihrem Schuldkonto. Leichtfertig schließen sie ihre Rechnung mit Gott ab. Sch2 52.4
Was mich erzittern läßt, ist die Tatsache, daß solche, die das größte Licht und die größten Gnadenerweisungen empfangen haben, von der überhandnehmenden Ungerechtigkeit angesteckt worden sind. Von den Ungerechten in ihrer Umgebung beeinflußt, sind sogar viele Bekenner der Wahrheit gleichgültig geworden und von der starken Strömung des Bösen überwältigt worden. Die allgemeine Verachtung, die wahrer Frömmigkeit und Heiligkeit zuteil wird, bringt solche, die nicht in enger Verbindung mit Gott stehen, dazu, ihre Ehrfurcht vor seinem Gesetz zu verlieren. Wenn sie dem Lichte folgten und der Wahrheit von Herzen gehorchten, erschiene ihnen das heilige Gesetz angesichts dieser Verachtung und Vernachlässigung nur noch kostbarer. Die Mißachtung des göttlichen Gesetzes wird deutlicher und damit auch die Trennungslinie zwischen seinen Beobachtern und der Welt. Bei einer Klasse nimmt die Liebe zu den göttlichen Geboten in demselben Maße zu, wie bei der anderen die Verachtung dafür wächst. Sch2 53.1
Die Entscheidungsstunde naht schnell. Die rasch anwachsenden Zahlen zeigen, daß die Zeit für Gottes Heimsuchung vor der Tür steht. Obwohl er keine Freude am Strafen hat, wird er dennoch strafen, und zwar bald. Die im Lichte wandeln, werden die Zeichen der herannahenden Gefahr sehen. Aber sie dürfen nicht in ruhiger, gleichgültiger Erwartung des Verderbens leben und sich selbst mit der Zuversicht trösten, daß Gott sein Volk am Tage der Heimsuchung beschirmen wird. Weit gefehlt! Sie sollten sich klar darüber sein, daß es ihre Pflicht ist, eifrig für die Rettung anderer zu wirken und dabei mit starkem Glauben nach Gottes Hilfe auszuschauen. “Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.” Jakobus 5,16. Sch2 53.2
Der Sauerteig der Frömmigkeit hat seine Kraft noch nicht ganz verloren. Wenn die Gefahr und Entmutigung der Gemeinde am größten sind, wird die kleine Schar, die im Lichte steht, um der Greuel willen, die im Lande geschehen, seufzen und weinen. Aber ganz besonders werden sich ihre Gebete für die Gemeinde erheben, weil deren Glieder nach der Weise der Welt leben. Sch2 53.3
Die ernsten Gebete dieser wenigen Getreuen werden nicht vergeblich sein. Wenn der Herr als Vergelter kommt, wird er auch als Beschützer für alle erscheinen, die den Glauben in seiner Reinheit bewahrt und sich selbst von der Welt unbefleckt erhalten haben. Gott hat für diese Zeit verheißen, seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien und die er im Glauben aufrechterhielt, zu rächen. Sch2 54.1
Der Befehl lautet: “Gehe durch die Stadt Jerusalem und zeichne mit einem Zeichen an die Stirn die Leute, so da seufzen und jammern über alle Greuel, so darin geschehen.” Hesekiel 9,4. Diese Seufzenden und Weinenden hatten das Wort des Lebens hochgehalten. Sie hatten getadelt, Rat erteilt und eingeladen. Einige, die Gott nicht geehrt hatten, zeigten Reue und demütigten ihre Herzen vor ihm. Aber die Herrlichkeit des Herrn war von Israel gewichen. Obgleich viele von ihnen die Formen des Gottesdienstes beibehielten, fehlte diesen doch die Kraft Gottes und seine Gegenwart. Sch2 54.2
Wenn sein Zorn im Gericht offenbar wird, werden sich diese demütigen und frommen Nachfolger Christi von den übrigen in der Welt durch ihre Seelenangst unterscheiden, die sich in Klagen und Weinen, Tadeln und Warnungen zeigt. Manche versuchen, einen Mantel über vorhandene Übel zu breiten und die überall herrschende große Bosheit zu entschuldigen. Dagegen werden jene, die für Gottes Ehre eifern und Liebe zu den Menschen haben, nicht Ruhe geben, um dadurch etwa begünstigt zu sein. Ihre frommen Seelen werden durch die heillosen Taten und Reden der Gottlosen Tag und Nacht gequält. Sie sind dem reißenden Strom der Ungerechtigkeit gegenüber machtlos, und das verursacht ihnen Kummer und Besorgnis. Sie trauern vor Gott, weil sie sehen müssen, daß der Glaube gerade auch in den Heimen derjenigen verachtet wird, die großes Licht erhalten haben. Sie klagen und betrüben ihre Seelen, weil Stolz, Geiz, Selbstsucht und fast jede Art von Betrug in der Gemeinde zu finden sind. Der Geist Gottes, der streng tadelt, wird unter die Füße getreten, während Satans Diener triumphieren. Gott wird entehrt und die Wahrheit wirkungslos gemacht. Sch2 54.3
Alle, die weder über ihren eigenen geistlichen Niedergang betrübt sind noch über die Sünden anderer trauern, werden das Siegel Gottes nicht erhalten. Der Herr beauftragt seine Boten, die die Mordwaffen in ihren Händen tragen: “Gehet diesem nach durch die Stadt und schlaget drein; eure Augen sollen nicht schonen noch übersehen. Erwürget Alte, Jünglinge, Jungfrauen, Kinder und Weiber, alles tot; aber die das Zeichen an sich haben, derer sollt ihr keinen anrühren. Fanget aber an an meinem Heiligtum! Und sie fingen an an den alten Leuten, so vor dem Hause waren.” Hesekiel 9,5.6. Sch2 54.4
Wir erkennen, daß die Gemeinde — des Herrn Heiligtum — die erste sein wird, die den Zorn Gottes zu spüren bekommt. Die alten Leute, denen Gott großes Licht geschenkt hatte und die Wächter der geistlichen Belange des Volkes sein sollten, hatten das in sie gesetzte Vertrauen getäuscht. Sie hatten die Ansicht vertreten, daß wir nicht nach Wundern und auffallenden Kundgebungen Gottes auszuschauen brauchten wie in früheren Tagen. Die Zeiten haben sich geändert. Diese Worte stärken sie in ihrem Unglauben, und sie sagen: Der Herr wird weder Gutes noch Böses tun. Er ist zu barmherzig, um sein Volk im Gericht heimzusuchen. So wird “Friede und Sicherheit” zum Schlagwort jener Leute, die ihre Stimme nicht wie eine Posaune erschallen lassen wollen, um dem Volke Gottes seine Übertretungen und dem Hause Jakob seine Sünden zu zeigen. Diese stummen Hunde, die nicht bellen wollten, bekommen die gerechte Vergeltung eines beleidigten Gottes zu fühlen. Männer, Jungfrauen und kleine Kinder kommen alle zusammen um. Sch2 55.1