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    Kapitel 5: Die Jünger aber schliefen...

    Doch statt mit Jesus zu wachen, schliefen sie sorgenschwer ein. Selbst der begeisterte Petrus schlief, jener Petrus, der wenige Stunden vorher erklärt hatte, er wolle mit seinem Herrn leiden und, sollte es sein, auch sterben. Im entscheidenden Augenblick aber, als der Sohn Gottes so sehr ihres Mitgefühls und ihrer inbrünstigen Gebete bedurfte, fand er sie schlafend. Sie haben dadurch viel verschlafen. Der Heiland hatte beabsichtigt, sie für die schwierige Glaubensversuchung, die sie bald durchmachen sollten, zu stärken. Hätten sie jene traurigen Stunden mit dem Heiland unter Wachen und Gebet zu Gott zugebracht, so wäre Petrus bald darauf nicht auf seine schwache Kraft allein angewiesen gewesen und hätte seinen Herrn nicht verleugnet.LC 9.1

    Wir können uns nur eine schwache Vorstellung von der unaussprechlichen Angst des teuren Sohnes Gottes in Gethsemane machen. Es mußte ihn ja unsäglich niederdrücken, als er, wegen der freiwillig übernommenen Sündenschuld der Menschheit, sich von seinem Vater getrennt sah. Der herrliche Sohn Gottes wurde ohnmächtig und kam dem Tode nahe. Der Vater sandte einen Engel herab, um den göttlichen Dulder zu stärken. Könnten Sterbliche das Erstaunen der Engel wahrnehmen und ihre Seufzer hören, als sie zu ihrer tiefsten Trauer sehen mußten, wie der Vater Licht, Liebe und Herrlichkeit nicht mehr seinem Sohne scheinen ließ, so würden sie besser verstehen, wie häßlich die Sünde in Gottes Augen ist. Als der Sohn Gottes sich im Garten Gethsemane betend niederbeugte, drängte ihm die Todesangst Blutstropfen statt Schweiß aus den Poren. Zypressen und Palmen waren stille Zeugen seiner Seelenqual. Aus ihrem reichen Blätterwerk fielen schwere Tautropfen auf den Gepeinigten, als wollte die Natur weinen über ihn, ihren Schöpfer, der mit den Mächten der Finsternis allein rang. Die Schrecken großer Finsternis umgaben ihn. Der Welt Sünde lastete auf ihm. Er litt an des Menschen Statt als Übertreter des göttlichen Gesetzes. Da wurde er stark versucht. Das Licht Gottes entschwand seinen Blicken, und er wurden den Mächten der Finsternis ausgeliefert. In Seelenangst lag er ausgestreckt auf der kalten Erde. Er war sich des Mißfallens seines Vaters bewußt. Der Kelch des Leidens war den Menschen von den Lippen gerissen und Christus selbst dargeboten worden, damit der Mensch an seiner Statt den Kelch des Segens tränke. Der Zorn, den eigentlich der sündige Mensch verdient hätte, entlud sich nun über Christus.LC 9.2

    Die jäh aus dem Schlummer gerissenen Jünger blickten zu einem Meister auf, den Seelenangst und körperliches Leiden quälten, wie sie es vorher nie gesehen hatten. Sie schauten das abgehärmte, angstentstellte, bleiche Gesicht und sahen Perlen von Blutschweiß an seinen Brauen hängen. “Er hatte keine Gestalt noch Schöne.” Jesaja 53,2. Die Jünger waren sehr betrübt, daß sie geschlafen und nicht mit ihrem Herrn gebetet und gefühlt hatten. Sie waren sprachlos vor Reue und Staunen.LC 10.1

    Da wendet sich der leidende Sohn Gottes wieder von ihnen, denn finstere Gewalt stürmt von neuem mit unwiderstehlicher Kraft auf ihn ein und beugt ihn in den Staub. Er betet wie vorher und schüttet sein Herz unter starken Geschrei und Tränen aus. Er rang mit solchen Todesnöten, wie sie kein Mensch in seinem Leben ertragen könnte. Der Welt Sünden lagen auf ihm. Er fühlte, daß er von seines Vaters Liebe geschieden war; denn auf ihm lastete der Fluch wegen der Sünde. Christus wußte, daß es dem Menschen schwerfallen würde, die Häßlichkeit der Sünde zu erkennen, und daß die enge Berührung und der stete Umgang mit der Sünde das sittliche Empfinden des Menschen so abgestumpft hatten, daß ihm die Sünde wider den Heiligen Geist nicht so gefährlich erscheinen konnte. Er wußte, daß nur wenige Freude an der Gerechtigkeit finden und das Heil annehmen würden, dessen Erlangung er durch unermeßlichen Kaufpreis möglich machte. Während diese Sündenlast auf Christus lag, weder bemerkt noch bereut von Menschen, suchten Zweifel in seinem Herzen Fuß zu fassen, ob der Vater noch mit ihm eins sei.LC 10.2

    In solcher schrecklichen Prüfungsstunde sehnte sich der Mensch Jesus nach mitfühlenden Jüngern: zum zweiten Male erhob er sich von der Erde, ging zu ihnen und fand sie schlafend. Diesmal war’s kein fester Schlaf. Sie lagen im Halbschlaf, sie hatten einen kleinen Begriff vom Leiden und von der Angst ihres Herrn bekommen. Zärtlich beugte sich Jesus einen Augenblick über sie und schaute sie teils mit Liebe, teils mit Mitleid an. Er sah in den schlafenden Jüngern das Sinnbild einer schlafenden Gemeinde. Sie schliefen, wo Wachen und Beten not waren.LC 11.1

    “So wachet nun (denn ihr wisset nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob er kommt am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder des Morgens), auf daß er nicht schnell komme und finde euch schlafend.” Markus 13,35.36. Die Gemeinde Gottes hat die ganze Nacht auf der Wacht zu sein, trotz Gefahren, sei die Zeit lang oder kurz. Auch im Leid soll sie nicht weniger wachen, und Trübsal soll nicht Gleichgültigkeit, sondern doppelte Wachsamkeit erzeugen. Christus hat die Gemeinde durch sein eigenes Beispiel auf die Quelle ihrer Kraft in Zeiten der Not, der Bedrängnis und Gefahr hingewiesen. Die allezeit wachende Gemeinde kennzeichnet sich durch beständiges Wachen als Gottes Volk. Durch dieses Zeichen unterscheiden sich die Wartenden von der Welt und zeigen, daß sie Pilger und Fremdlinge auf Erden sind.LC 11.2

    Welche Gefühllosigkeit bewiesen die Jünger, als sie den Schlaf ihre Augen schließen, den Schlummer ihre Sinne gefangennehmen ließen, während ihr göttlicher Herr solch unbeschreibliche Seelenangst litt. Wären sie wach geblieben, so hätten sie ihren Glauben nicht verloren, als sie den Sohn Gottes am Kreuze sterben sahen. Edle Seelenkämpfe und Gebete, die ihnen Kraft gegeben hätten, den schrecklichen Todeskampf des Sohnes Gottes mitanzusehen, hätten diese wichtige Nachtwache auszeichnen müssen. Ins Zwielicht der Versuchungsstunde hätten ihnen dann Hoffnungsstrahlen geschienen und ihren Glauben belebt.LC 11.3

    Christus hatte ihnen vorausgesagt, daß dies alles geschehen werde. Doch sie hatten es nicht verstanden. Seine Leiden sollten den Jüngern eine Feuerprobe werden. Deshalb tat es ihnen not, zu wachen und zu beten. Ihr Glaube bedurfte der Stärkung durch unsichtbare Kraft, da sie den scheinbaren Sieg der Mächte der Finsternis erleben sollten. Der Heiland kannte die Macht, womit der Fürst der Finsternis gerade dann die Sinne seiner Jünger betäubte, als ihnen Wachsamkeit so not tat. An diesem Höhepunkt, wo so viel für sie auf dem Spiele stand, fand der Herr sie schlafend. Da befällt ihn die Macht der Finsternis im neuen Anprall und beugt ihn zur Erde. Er verläßt seine Jünger mit dem Entschluß, den Fürsten der Finsternis zu überwinden, aus daß der Mensch nicht in die Ketten der Hoffnungslosigkeit und Mutlosigkeit gehalten werde. Noch ein Blick zärtlichen Mitgefühls den Jüngern, dann verläßt er sie und beugt sich zum dritten Male im Gebet; er spricht dieselben Worte wie vorher. Der göttliche Dulder schauerte vor Entsetzen über diesen geheimnisvollen Kampf.LC 12.1

    Menschen können unmöglich die unerträgliche Seelenangst empfinden und fassen, die unsern Erlöser marterte. Der heilige Sohn Gottes hatte nicht seine eigenen Sünden noch selbstverursachten Kummer zu tragen. Er trug andrer Leid; unser aller Missetaten wurden auf ihn gelegt. Göttliches Mitleid verband ihn mit den Menschen, und so ertrug er es, als Vertreter der ganzen Menschheit wie ein Übertreter behandelt zu werden. Er schaute in den Abgrund des Wehs, der sich wegen unsrer Sünden vor uns aufgetan hatte, und nahm sich vor, die Kluft mit seinem eigenen Leibe zu überbrücken.LC 12.2

    Die Leiden der Märtyrer reichen bei weitem nicht an die Leiden Christi heran. Gott war bei ihrem körperlichen Leiden gegenwärtig. Hier aber verbarg sich des Vaters Angesicht vor seinem lieben Sohn. Der Mensch Christus zagte und zitterte in dieser Versuchungsstunde. Es war eine Seelenangst, größer, als was der Menschennatur zu tragen möglich war. Vieltausendfaches Weh ließ die zitternden Lippen des edlen Dulders die Worte sagen: “Meine Seele ist betrübt.” Markus 14,34. “Abba, mein Vater, es ist dir alles möglich; überhebe mich dieses Kelchs; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!” Markus 14,36. Und dann hören wir von seinen bleichen Lippen diese Worte: “Mein Vater, ist’s nicht möglich, daß dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille!” Matthäus 26,42. Der bedeutungsvolle Augenblick war gekommen, da das Schicksal der Welt sich entscheiden sollte. Engel warten und wachen mit innigster Teilnahme.LC 12.3

    Der Welt Schicksal liegt auf zitternder Waagschale. Wenn nun der Sohn Gottes sich weigert, den den schuldigen Menschen bestimmten Kelch zu leeren, wenn er den Blutschweiß von der Stirn wischt und die Welt in den Tod ihrer Übertretungen versinken läßt! Ob der Sohn des unendlichen Gottes den Kelch der Demut trinkt, ob der Unschuldige den Fluch Gottes leiden wird zur Bewahrung des Schuldigen? Der geheimnisvolle Kelch zittert in seiner Hand. Das Schicksal einer verlorenen Welt wird gewogen. Der Welterlöser sieht, daß die Übertreter des Gesetzes Gottes wegen seines Mißfallens sterben müssen. Er sieht die Macht der Sünde und das völlige Unvermögen des Menschen, sich selbst zu retten.LC 13.1

    Die Schmerzen und Wehklagen einer verfluchten Welt steigen zu ihm auf. Da ist sein Entschluß gefaßt. Er will die Menschen um jeden Preis retten. Er nimmt die Bluttaufe an, damit sterbende Millionen durch ihn ewiges Leben gewinnen. Hatte er doch die Himmel, wo alles Reinheit, Glück und Herrlichkeit war, verlassen, um das eine verlorene Schaf, die eine Welt, die durch Übertretung gefallen war, zu retten. Er will den Menschen nicht in seinen Sünden verlassen. Er will in die tiefsten Tiefen des Elends hinabsteigen, um ihn zu retten. Die schlafenden Jünger wissen nichts davon, daß ihr lieber Lehrer fast ohnmächtig ist. Er fällt wie sterbend zur Erde nieder. Wo sind da die Jünger, die mit ihren Händen liebevoll das Haupt des Meisters stützen, sein Antlitz netzen, das nun wahrlich häßlicher ist als aller Menschenkinder Angesichter? Ach, er tritt die Kelter allein, und niemand unter den Menschen ist mit ihm.LC 13.2

    Christus litt dennoch nicht allein. Sagte er doch: “Ich und der Vater sind eins.” Johannes 10,30. Gott litt mit seinem Sohn. Der Mensch kann das Opfer, das der ewige Gott darbrachte, indem er seinen Sohn der Schmach und Seelenangst überließ, nimmer fassen. Indem Gott seinen Sohn für die Welt dahingab, bezeugte er seine grenzenlose Liebe zu den Menschen. Die Engel, die im Himmel Christi Willen getan hatten, sehnten sich danach, ihm beizustehen. Doch was konnten sie tun? Solches Leid, solche Seelenangst zu stillen, lag nicht in ihrer Macht. Sie haben noch nie die Sünden einer verlorenen Welt gefühlt. Und mit Erstaunen sahen sie den Angebeteten als Kummervollen. Wenn auch der Vater seinem Sohn den Becher nicht aus der zitternden Hand und von den bleichen Lippen nimmt, sendet er doch einen Engel, daß er ihn Kraft trinken lasse. Der Engel richtet den Sohn Gottes von dem kalten Erdboden auf und bringt ihm Liebesworte von seinem Vater. Da fühlt er sich wieder stark und kräftig. Er hat die Verheißung, daß er ewige Freude gewinnt für alle, die die Erlösung annehmen.LC 14.1

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